Der BFH hat mit Urteil vom 26.09.2019 (V R 13/18) entschieden, dass die beim Leistungsempfänger entstehenden Zinsen aus der Versagung des Vorsteuerabzugs bei einem gemeinsamen Irrtum von Leistenden und Leistungsempfänger über die Anwendbarkeit des § 13b UStG aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen sind.
Im zu entscheidenden Fall bezog der zum Vorsteuerabzug berechtigte Kläger Bauleistungen. Der leistende Unternehmer erteilte Rechnungen mit gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer, worauf der Kläger den Vorsteuerabzug geltend machte. Die Beteiligten übersahen, dass für die Leistungen die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger überging (§ 13b UStG). Das Finanzamt vereinnahmte die für die Leistung geschuldete Steuer somit vom vermeintlichen statt vom tatsächlichen Steuerschuldner. Der leistende Unternehmer berichtigte nach Bekanntwerden des Irrtums seine Rechnungen mit Steuerausweis und trat den sich hieraus ergebenden Vergütungsanspruch gegenüber dem Finanzamt an den Leistungsempfänger ab.
Grundsätzlich gilt, dass die Festsetzung von Zinsen rechtmäßig und nicht zu erlassen ist, wenn der Schuldner der Steuernachforderung einen Liquiditätsvorteil erlangt hat. Maßgeblich ist dabei eine nur auf den Schuldner bezogene Liquiditätsbetrachtung. Auch eine sog. “Null-Situation“, bei der keine Umsatzbesteuerung beim Leistenden eintritt und der Leistungsempfänger keine Vorsteuer abziehen kann, rechtfertigt grundsätzlich keinen Erlass zugunsten des Unternehmers, der seine Umsätze zu Unrecht nicht versteuert hat.
Allerdings sind atypischen Ausnahmefällen Maßnahmen im Wege der Billigkeit (=”Gerechtigkeit im Einzelfall”) vorbehalten.
In der vorliegenden Konstellation handelte es sich nach Auffassung des BFH um solch einen gesetzlich nicht bedachten Ausnahmefall, bei dem der klagende Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug aus einer in Rechnungen ausgewiesenen, aber gesetzlich nicht geschuldeten Steuer geltend machte, von der feststand, dass der Rechnungsaussteller sie ordnungsgemäß abgeführt hatte.
Aufgrund der Besonderheit des gemeinsamen Irrtums von Leistenden und Leistungsempfänger hinsichtlich der (Nicht-)Anwendbarkeit von § 13b UStG und der auf dieser Grundlage fehlerhaften, aber folgerichtigen Versteuerung durch beide Beteiligte kommt es nicht in Betracht, für die Liquiditätsbeurteilung ausschließlich auf das Schuldverhältnis zwischen Leistungsempfänger und Finanzamt abzustellen.
Dass den Rechnungsberichtigungen des Leistenden keine Rückwirkung zukommt, ist nach BFH-Ansicht bei einer liquiditätsmäßigen Betrachtung für Zwecke des Billigkeitserlasses unerheblich.
Fazit
In gleichgelagerten Fällen empfiehlt sich ein konzentriertes Vorgehen von Leistendem und Leistungsempfänger bezüglich der betroffenen Finanzämter.