Kapitalertragsteuer bei einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb: BFH konkretisiert Steuerschuldnerschaft und Ablaufhemmung

17.04.2025
Gemeinnützigkeit
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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 11.12.2024 (Az. VIII R 24/23), veröffentlicht am 20.03.2025, entschieden, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb als „Dritter“ im Sinne des § 171 Abs. 15 AO gilt und für Zwecke der Festsetzungsverjährung als “Steuerentrichtungspflichtiger” für einzubehaltende Kapitalertragsteuer aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb anzusehen ist. Im Streitfall war die in Rede stehende Kapitalertragsteuer zum Zeitpunkt der Nachforderung allerdings bereits verjährt, weshalb der entsprechende Nachforderungsbescheid rechtswidrig war.

Hintergrund

Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben steuerbefreiter Körperschaften stellen unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG für diese Körperschaften Einkünfte aus Kapitalvermögen dar. Für diese Kapitalerträge wird nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c EStG die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer durch Abzug der Kapitalertragsteuer erhoben. Die steuerbefreite Körperschaft gilt nach § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG als Gläubiger und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als Schuldner der Kapitalerträge, wobei die Körperschaft als Steuerschuldnerin und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als Steuerentrichtungspflichtiger gilt.

Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb einer steuerbefreiten Körperschaft als Steuerentrichtungspflichtiger für Kapitalertragsteuer in Anspruch genommen werden kann und ob in diesem Zusammenhang eine Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung greift.

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein von der Körperschaftsteuer befreiter Berufsverband im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG, der neben seinem steuerbegünstigten Bereich auch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält. In den Streitjahren 2007 und 2008 erzielte dieser Betrieb Gewinne in Höhe von 38.620,12 € bzw. 8.880,65 €, die vollständig mit vorgetragenen Verlusten verrechnet wurden, sodass die Körperschaftsteuer auf 0 € festgesetzt wurde. Auf Aufforderung des Finanzamts reichte die Klägerin im Jahr 2010 Kapitalertragsteueranmeldungen ein, in denen sie Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG mit jeweils 0 € angab.

Das Finanzamt erließ daraufhin im Jahr 2012 einen Haftungsbescheid und nahm die Klägerin wegen nicht abgeführter Kapitalertragsteuer in Höhe von 3.862 € (2007) und 888 € (2008) gemäß § 191 Abs. 1 AO in Anspruch. Dieser Haftungsbescheid wurde jedoch im Laufe eines späteren Revisionsverfahrens aufgehoben und durch einen Nachforderungsbescheid vom 22. Dezember 2020 ersetzt. In diesem wurde die Klägerin fälschlicherweise als Entrichtungsschuldnerin aufgeführt. Gegen den Nachforderungsbescheid legte die Klägerin ebenfalls erfolglosen Einspruch ein. Die hiergegen gerichtete Klage hatte hingegen vor dem Finanzgericht Erfolg, da die streitgegenständliche Steuerfestsetzung verjährt gewesen sei. Das Finanzamt legte daraufhin Revision ein.

Entscheidung des Gerichts

Der BFH wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Nach Ansicht des VIII. Senats war der Nachforderungsbescheid vom 22. Dezember 2020 rechtswidrig, da zum Zeitpunkt seines Erlasses bereits Festsetzungsverjährung hinsichtlich der Kapitalertragsteuer für die Jahre 2007 und 2008 eingetreten war. Durch die Abgabe der Kapitalertragsteueranmeldungen im Jahr 2010 wurde die vierjährige Festsetzungsverjährung (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) in Gang gesetzt. Nach Ablauf dieser Frist (31. Dezember 2014) wäre eine Steuerfestsetzung nur noch in Ausnahmefällen möglich.

Das Finanzamt argumentierte, dass die Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 15 AO und § 171 Abs. 3a AO durch den zuvor ergangenen Haftungsbescheid gehemmt gewesen sei.

Die Voraussetzungen für eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist lagen nach Auffassung des Gerichts allerdings nicht vor. Zwar sei § 171 Abs. 15 AO dem Grunde nach auf die Konstellation eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs und seines Rechtsträgers anwendbar. Dies hat zur Folge, dass der fiktive Gläubiger der Kapitalerträge, die Trägerkörperschaft, zugleich als Steuerschuldner im Sinne des § 171 Abs. 15 AO (Schuldner der Kapitalertragsteuer) und der fiktive Schuldner der Kapitalerträge, der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb, zugleich als Steuerentrichtungspflichtiger im Sinne der Vorschrift gelte. Allerdings könne nach dieser Vorschrift die Frist für den Steuerschuldner nur gehemmt sein, solange gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Eine solche sei jedoch vorliegend bereits eingetreten, da keine erkennbaren Gründe für eine Hemmung des Fristablaufs vorlagen.

Auch eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO lehnte der BFH ab. Zwar könne ein gegen einen Haftungsbescheid eingelegter Rechtsbehelf die Festsetzungsverjährung hemmen, dies gelte aber nur für den persönlich betroffenen Anfechtenden. Die Fiktion des § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG ändere daran nichts, da sie ebenfalls keine personenübergreifende Wirkung entfalte. Im Ergebnis sei daher die Kapitalertragsteuer mit Ablauf des Jahres 2014 verjährt gewesen, weshalb der Nachforderungsbescheid im Jahr 2020 nicht mehr habe ergehen dürfen.

Ausblick

Die Entscheidung des BFH verdeutlicht die engen Grenzen der Ablaufhemmung insbesondere bei der Festsetzung von Kapitalertragsteuer in Fällen mit fiktiver Schuldner- und Gläubigerzuordnung nach § 44 Abs. 6 EStG. Wegen der gesetzlich fingierten Rollenverteilung zwischen Trägerkörperschaft und wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb kommt eine personenübergreifende Hemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 15 AO grundsätzlich in Betracht, allerdings nur, wenn die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.

Für die Praxis bedeutet dies, dass bei wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben bestimmter steuerbegünstigter Körperschaften, wie z.B. bei Berufsverbänden, eine besonders sorgfältige Überwachung der Festsetzungsfristen geboten ist. Darüber hinaus ist bei solchen Körperschaften auch ein besonderes Augenmerk auf die richtige Führung und Feststellung des steuerlichen Einlagekontos gemäß § 27 KStG zu legen. Schließlich kann die Kapitalertragsteuer durch Verwendung des steuerlichen Einlagenkontos vermieden werden, soweit ein solches besteht.

Der Vollständigkeit ist noch zu erwähnen, dass gemeinnützige und mildtätige Körperschaften, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Steuer befreit sind, gemäß § 44a Abs. 7 EStG nicht von der vorstehenden Kapitalertragsteuerpflicht betroffen sind.

Falls Sie Fragen zur Kapitalertragsteuer, zur Verjährung oder zur steuerlichen Behandlung wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe haben, wenden Sie sich gerne an uns. Wir stehen Ihnen mit unseren Expertinnen und Experten sehr gerne beratend zur Seite.

Bildnachweis: Bundesfinanzhof/Andreas Focke

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