Unanfechtbarer Gesellschafterbeschluss: Anspruch aus § 826 BGB auf Wiederherstellung der ursprünglichen Satzung

14.10.2023
Wirtschaft, Gesellschaft & Handel 4/2023
3 Minuten

Soweit ihm nicht schutzwürdige Rechte Dritter entgegenstehen, schließt die Unanfechtbarkeit eines sittenwidrig erwirkten satzungsändernden Gesellschafterbeschlusses ein darauf gestütztes, auf Wiederherstellung der ursprünglichen Satzung gerichtetes Schadensersatzverlangen des geschädigten Gesellschafters nicht aus (BGH, Urt. V. 06.12.2023, II ZR 187/22).

Worum geht es? 

Die Beteiligten sind Gesellschafter der F-GmbH. Für die T-GmbH hielt die Beklagte zunächst treuhänderisch eine Beteiligung von 80 % an der F-GmbH. 2009 schlossen die T-GmbH und die Beteiligten einen weiteren Treuhandvertrag, der die Übertragung der Treugeberstellung von der T-GmbH auf die Klägerin beinhaltete. Neben der Abtretung sämtlicher Rechte aus der ursprünglichen Treuhand wurde die Abtretung des Geschäftsanteils Nr. 1 mit einem Nennbetrag von 20.000 Euro an die Klägerin für den Fall der Kündigung des zweiten Treuhandvertrags vereinbart. Den weiteren Geschäftsteil Nr. 2 mit einem Nennbetrag von 5.000 Euro hielt die Beklagte.

Die Klägerin kündigte besagten Vertrag mit Schreiben vom 16. und 26.08.2011. Die Gesellschafterliste vom 24.08.2011 wies die Klägerin als Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1 und die Beklagte als Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 2 aus. Am 25.08.2011 hat die Beklagte den zweiten Treuhandvertrag unter anderem wegen arglistiger Täuschung angefochten. Am 02.09.2011 reichte der Geschäftsführer der F eine Gesellschafterliste beim Handelsregister ein, in der die Beklagte als Inhaberin beider Geschäftsanteile ausgewiesen war. Die Klägerin erwirkte am 09.09.2011 eine einstweilige Verfügung, mit der der Gesellschafterliste ein Widerspruch hinsichtlich der Inhaberschaft des Geschäftsanteils Nr. 1 zugeordnet wurde.

Am 20.10.2011 fand eine Gesellschafterversammlung der F-GmbH statt, zu der die Klägerin nicht eingeladen war und von der sie auch nicht unterrichtet wurde. Darin beschloss die Beklagte, die Satzung der F-GmbH dahingehend zu ändern, dass das Quorum für die Beschlussfähigkeit der Gesellschaft von 75 % nunmehr auf 85 % angehoben wir und Gesellschafterbeschlüsse mit einer Mehrheit von 85 % der Stimmen zu fassen sind. Die Änderung der Satzung wurde am 29.11.2011 ins Handelsregister eingetragen.

Eine Ende 2016 erhobene Beschlussmängelklage der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main wurde festgestellt, dass die Klägerin Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1 ist. Am 10.07.2014 wurde eine Gesellschafterliste beim Handelsregister aufgenommen, welche die Klägerin auch als solche auswies.

Die Klägerin verlangt nun die Zustimmung der Beklagten zur Rückänderung der Satzung der F-GmbH in den Zustand von November 2011. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Beklagte jedoch antragsgemäß verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Wie entschied das Gericht? 

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der eigenmächtigen Satzungsänderung habe die Beklagte eine unerlaubte Handlung begangen, mit der sie die Mitgliedschaftsrechte der Klägerin verletzt und sie zugleich vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe. Ein Anspruch auf Wiederherstellung der ursprünglichen Satzung ergebe sich insofern aus § 826 BGB.

Die Beklagte hat der Klägerin mit der Änderung der Satzung einen Schaden zugefügt. § 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens begrifflich nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter ab. Schaden ist danach jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung. Ein solcher Schaden ergebe sich ohne Weiteres aus der Schmälerung des Stimmgewichts und der Herrschaftsmacht, die der Mehrheitsbeteiligung der Klägerin nach der ursprünglichen Satzung zukam.

Dabei habe die Beklagte vorsätzlich gehandelt. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Änderungsbeschluss selbst, da sich die Änderung des Gesellschaftsvertrags bei lebensnaher Betrachtung nur damit erklären lasse, dass die Gesellschafterstellung der Klägerin beeinträchtigt werden sollte.

Die Qualifizierung eines Verhaltens als sittenwidrig ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkende verstößt. Dafür genügt im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Handelns hinzutreten. Eine solche Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben.

Gegen die guten Sitten habe die Beklagte verstoßen, weil sie eine rein formale Rechtsposition zur Änderung der Satzung ausgenutzt habe. Die Gesellschafterliste wies sie der materiellen Rechtslage zuwider als Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1 aus. Nur deshalb konnte die Gesellschafterversammlung ohne Ladung der Klägerin abgehalten werden. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin bereits zu ihren Gunsten die Zuordnung eines Widerspruchs gegen die Gesellschafterliste erwirkt hatte. Die Beklagte habe also berechtigtes Vertrauen der Klägerin in eine lautere Klärung des Gesellschafterstreits enttäuscht.

Praxishinweis

Sittenwidrige Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH sind nicht nach § 138 BGB, sondern analog § 241 Nr. 4 AktG nur dann nichtig, wenn sie durch ihren Inhalt gegen die guten Sitten verstoßen. Der Beschluss muss also „für sich allein betrachtet“ gegen die guten Sitten verstoßen.

Bildnachweis:AntonioGuillem/Stock-Fotografie-ID:1217114419

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