BFH zur Gemeinnützigkeit in der Liquidation – bleibt die Steuerbefreiung bestehen?

28.10.2025
Gemeinnützigkeit
3 Minuten

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 30.07.2025 (Az. V B 3/24) eine Revision zugelassen, die die Fragen klären soll, ob gemeinnützige Organisationen bereits durch die Auflösung oder Liquidation ihre Steuerbefreiung verlieren und das Finanzamt in diesem Fall Steuerbescheide rückwirkend bis zu zehn Jahre ändern darf.

Hintergrund

Gemeinnützige Organisationen – wie Vereine oder Stiftungen – genießen Steuervorteile, solange sie ihre Mittel laut ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich für steuerbegünstigte Zweck verwenden. Doch was passiert, wenn eine solche Organisation aufgelöst wird oder in Liquidation tritt – bleibt die Steuerbefreiung bestehen? Zudem stellt sich die Frage, ob das Finanzamt in einem solchen Fall befugt ist, Steuerbescheide bis zu zehn Jahre rückwirkend abzuändern.

Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Streitfall vor dem Finanzgericht (FG) Münster ging es um eine Stiftung, die von einem im Jahr 1999 verstorbenen Ehepaar durch einen Erbvertrag als Erbin eingesetzt worden war. Diese Erbschaft war mit einem Vermächtnis zugunsten der Tochter des Ehepaares belastet. Laut ihrer Satzung verfolgte die Stiftung gemeinnützige Zwecke und wurde dementsprechend als gemeinnützig anerkannt. In der Satzung war auch geregelt, dass das Stiftungsvermögen im Falle der Aufhebung an eine bestimmte steuerbegünstigte Organisation auszukehren ist.

Die Stiftungsaufsicht hob die Stiftung im Jahr 2018 auf, nachdem sich die wirtschaftliche Lage der Stiftung erheblich verschlechtert hatte und die geringer werdenden Vermögenserträge nicht mehr ausreichten, um den Verpflichtungen gegenüber der Tochter nachzukommen und die satzungsmäßigen Zwecke zu verwirklichen. Es drohte der vollständige Verbrauch des Stiftungsvermögens bis zum Jahr 2037.

Daraufhin erließ das Finanzamt für zehn Jahre rückwirkend Körperschaftsteuerbescheide, da die satzungsmäßige Vermögensbindung bei Wegfall der Gemeinnützigkeit nicht eingehalten worden sei. Dagegen erhob die Stiftung Klage beim FG Münster. Mit Urteil vom 29.11.2023 (Az. 13 K 1127/22 K) wies das FG Münster die Klage ab, da die Stiftung gegen den Vermögensbindungsgrundsatz verstoßen habe. Zwar sei eine steuerbegünstigte Körperschaft in der Satzung als Anfallberechtigte benannt. Die Stiftung habe ihr Vermögen nach Aufhebung aber nicht tatsächlich an die Anfallberechtigte ausgekehrt und es sei auch nicht absehbar, dass dies geschehen werde.

Auf die gegen das Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH mit seinem Beschluss die Revision zugelassen.

Entscheidung des Gerichts

Der BFH hat die Revision zugelassen, um zwei zentrale Fragen zu klären:

  1. Führt die bloße Auflösung oder Liquidation einer gemeinnützigen Organisation automatisch zum Verlust der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG?

  2. Darf das Finanzamt in diesem Fall Steuerbescheide rückwirkend für bis zu zehn Jahre ändern (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO)?

Damit steht eine endgültige Entscheidung noch aus. Aktuell bestehen in dieser Hinsicht zwei Auffassungen:

Nach teilweise vertretener Auffassung endet die Steuerbefreiung, wenn die Organisation ihre satzungsmäßige Tätigkeit einstellt und nur noch vermögensverwaltend tätig ist. Dabei gilt die Liquidation als Phase, in der die steuerbegünstigten Zwecke der Organisation nicht mehr verwirklicht werden. Danach bestünde eine Steuerpflicht ab Liquidationsbeginn und es käme rückwirkend potenziell zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit.

Nach anderer Auffassung kann die gemeinnützige Organisation auch in der Liquidation steuerbegünstigt bleiben, solange sie die Vermögensbindung einhält und keine Mittelfehlverwendung vorliegt. Die Liquidationsphase einer gemeinnützigen Organisation sei danach mit ihrer Anlaufphase nach Gründung zu vergleichen, in der ebenfalls keine oder kaum aktive Zweckverwirklichung stattfinde. Auch die Liquidation sei ein notwendiger Bestandteil des Lebenszyklus einer gemeinnützigen Organisation.

Ausblick

Die Entscheidung des BFH ist von großer Bedeutung für gemeinnützige Organisationen. Sollte der BFH bestätigen, dass die Steuerbefreiung auch in der Liquidationsphase gilt, wäre das ein wichtiges Signal: Gemeinnützigkeit endet nicht mit dem letzten Projekt, sondern erst mit dem vollständigen Abschluss einer Organisation.

Anderenfalls wird die Liquidation zum finanziellen Risiko einer gemeinnützigen Organisation: Im Auflösungs- oder Aufhebungsfall müsste sie mit Körperschaftsteuerflicht und der Möglichkeit rechnen, dass das Finanzamt Steuerbescheide rückwirkend bis zu zehn Jahre ändern kann. Das würde die Mittel, die an sich für steuerbegünstigte Zwecke vorgesehen waren, erheblich schmälern, zumal sich die Organisation in einer Phase befindet, in der sie keine Einnahmen mehr erzielt.

Sobald eine endgültige Entscheidung getroffen und veröffentlicht ist, informieren wir Sie selbstverständlich umgehend. Gemeinnützige Organisationen sollten die Vermögensbindungsklausel ihrer Satzung überprüfen. Falls Sie bestehende Satzungsbestimmungen rechtssicher gestalten möchten oder Fragen in diesem Bereich haben, wenden Sie sich gerne an die Expertinnen und Experten von SCHOMERUS.

Bildnachweis:hfng/Stock-Fotografie-ID:92042565

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