Die betriebliche Weihnachtsfeier gehört in vielen Unternehmen zur Tradition. Sie dient dem Betriebsklima, der Mitarbeitermotivation und dem kollegialen Austausch. Doch zwei aktuelle Gerichtsentscheidungen zeigen: Arbeitgeber bewegen sich in einem komplexen rechtlichen Spannungsfeld zwischen Fürsorgepflicht, Haftungsrisiken und arbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten. Was müssen Sie beachten?
Verhalten im Kontext einer Weihnachtsfeier
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG Düsseldorf) hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob das Verhalten eines Arbeitnehmers im Anschluss an eine betriebliche Weihnachtsfeier eine (außerordentliche) Kündigung rechtfertig (vgl. LAG Düsseldorf, Az. 3 Sa 284/23).
Nach einer Weihnachtsfeier einer Winzergenossenschaft, die offiziell gegen 23:00 Uhr endete, begaben sich zwei Mitarbeiter unbefugt zurück auf das Betriebsgelände. Mit der Zugangskarte eines Kollegen verschafften sie sich Zutritt zur Kellerei und konsumierten dort vier Flaschen Wein. Am nächsten Morgen bot sich ein verheerendes Bild: leere Weinflaschen auf dem Tisch, zahlreiche Zigarettenstummel im Mülleimer, eine an die Wand geworfene Mandarine auf dem Boden, Erbrochenes neben der Eingangstür und ein offenstehendes Hoftor.
Der Arbeitgeber sprach eine fristlose Kündigung aus. Während das Arbeitsgericht Wuppertal die fristlose Kündigung zunächst für unwirksam erklärte und eine Abmahnung für ausreichend hielt, korrigierte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf diese Einschätzung deutlich.
Das LAG Düsseldorf bewertete das Verhalten im Rechtsgespräch als "schwere Pflichtverletzung". Die Kammer stellte klar: "Es ist offensichtlich, dass man als Mitarbeiter nicht nach beendeter Weihnachtsfeier mit der Chipkarte des Kollegen gegen Mitternacht die Räume des Arbeitgebers betreten dürfe, um dort unbefugt vier Flaschen Wein zu konsumieren". Anhaltspunkte für eine dem Kläger erkennbare Duldung dieses Verhaltens seitens der Arbeitgeberin seien nicht ersichtlich.
Das Gericht stellte fest, dass sich allenfalls die Frage stelle, ob das Verhalten bereits eine fristlose Kündigung rechtfertige oder die Interessenabwägung zu einer ordentlichen Kündigung führe. Die Parteien einigten sich letztlich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer sozialen Auslauffrist bis zum 28.02.2023.
Versicherungsschutz und Weihnachtsfeier
Mit einem anderen Aspekt, nämlich der Frage nach bestehendem Versicherungsschutz im Kontext einer Weihnachtsfeier, hatte sich das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG Sachsen-Anhalt) zu befassen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.05.2020, Az. L 6 U 45/17).
Nach einer betrieblichen Weihnachtsfeier am 19. Dezember 2015 wurde der Kläger mit schweren Kopfverletzungen von Angehörigen auf der Straße vor der Haustür seiner Wohnung liegend aufgefunden. Die Diagnosen lauteten schwerwiegende Kopfverletzungen sowie akute Alkoholintoxikation mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 3,4 Promille.
Die Weihnachtsfeier hatte am 18. Dezember 2015 um 18:00 Uhr begonnen und am 19. Dezember 2015 um 02:00 Uhr geendet. Der Kläger hatte die Feier ca. um 01:30 Uhr verlassen und für den Rückweg ein Taxi benutzt. Er wurde um ca. 02:30 Uhr vor seiner Haustür aufgefunden.
Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Zwar könnten betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen sowie der Weg dorthin und zurück nach Hause unter bestimmten Voraussetzungen unter Versicherungsschutz stehen, hier seien die genauen Umstände des Sturzes aber nicht mehr aufklärbar. Angesichts der festgestellten Blutalkoholkonzentration sei mangels ersichtlicher anderer Wegegefahren von einem alkoholbedingten Unfall auszugehen, der dem privaten Risikobereich zuzurechnen sei.
Das LSG Sachsen-Anhalt wies die Berufung zurück und bestätigte, dass das Ereignis nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen sei. Die Begründung ist für Arbeitgeber von erheblicher Bedeutung:
Zwar hatte der Kläger den nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten betrieblichen Weihnachtsfeier stehenden Heimweg zurückgelegt. Ein Arbeitsunfall liege aber deshalb nicht vor, weil kein rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen der unfallbringenden Verrichtung und dem Sturz feststellbar sei.
Bei einer BAK von mindestens 3,06 Promille – fast dreimal über dem Wert, der beim Führen eines Kfz absolute Fahruntüchtigkeit begründen würde – liege eine Lösung von den den Versicherungsschutz begründenden betrieblichen Belangen vor, die es generell ausschließe, den Sturz noch der versicherten Zurücklegung des Heimwegs zuzurechnen.
Zwar argumentierte der Kläger, dass der Konsum alkoholischer Getränke bei Weihnachtsfeiern betriebsüblich gewesen sei und nahezu alle Anwesenden hätten Alkohol zu sich genommen, weshalb eine alkoholbedingte Beeinträchtigung der betrieblichen Sphäre zuzurechnen sei. Das Gericht wies diese Argumentation jedoch zurück: Hierfür reiche es nicht aus, dass der Konsum von Alkohol bei Weihnachtsfeiern betriebsüblich gewesen sein mag. Abgesehen davon könne eine versicherte Tätigkeit – unabhängig davon, ob der Arbeitgeber einen Alkoholkonsum hätte verhindern müssen – nur durch eine konkrete betriebsbezogene Verrichtung des Versicherten selbst verwirklicht werden. Eine Zurechnung des Verhaltens Dritter durch positives Tun oder Unterlassen scheide aus.
Das Gericht stellte zudem fest, dass einer etwaigen Fürsorgepflicht durch die Beförderung des Klägers mittels Taxi bereits Rechnung getragen worden war.
Die beiden Urteile zeigen: Arbeitgeber bewegen sich bei Weihnachtsfeiern in einem komplexen rechtlichen Spannungsfeld. Einerseits müssen sie ihre Fürsorgepflicht erfüllen und Mitarbeiter schützen. Andererseits haben sie das Recht und die Pflicht, auf schwere Pflichtverletzungen angemessen zu reagieren. Insoweit ergeben sich aus den vorliegenden Entscheidungen drei Erkenntnisse:
1. Weihnachtsfeiern ändern nichts an arbeitsvertraglichen Pflichten: Unbefugtes Betreten von Betriebsräumen, Entnahme von Betriebseigentum und grobe Verschmutzungen können auch im Kontext einer Weihnachtsfeier kündigungsrelevant sein.
2. Fürsorgepflicht hat Grenzen: Arbeitgeber müssen sichere Heimtransporte organisieren, haften aber nicht automatisch für alkoholbedingte Unfälle. Der Alkoholkonsum bleibt eine private Entscheidung des Mitarbeiters.
3. Prävention ist der beste Schutz: Klare Regeln, organisierte Heimtransporte und konsequentes Handeln bei Verstößen minimieren rechtliche Risiken und schaffen den Rahmen für eine gelungene Feier.