Mit Urteil vom 24.06.2025 (Az. BVerwG 6 A 4.24) hat das Bundesverwaltungsgericht das vom Bundesministerium des Innern und für Heimat am 5. Juni 2024 verhängte Verbot gegen die COMPACT-Magazin GmbH und ihre Teilorganisation CONSPECT FILM GmbH aufgehoben. Das Gericht hält die Verbotsverfügung für rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des Vereinsgesetzes für ein Verbot nicht vollständig erfüllt seien.
Das Gericht betont, dass das Vereinsgesetz auch auf eine GmbH Anwendung finden kann, insbesondere wenn diese sich – wie hier behauptet – gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 GG). Auch Presse- und Medienunternehmen unterliegen nicht per se einem Schutzschild vor solchen Maßnahmen. Dennoch stellte der Senat klar, dass ein Vereinsverbot nur bei einer durch die Organisation geprägten verfassungsfeindlichen Ausrichtung gerechtfertigt ist. Der hohe Schutz von Meinungs-, Presse- und Medienfreiheit gemäß Art. 5 GG ist in solchen Verfahren stets zu berücksichtigen.
Zwar stellte das Gericht fest, dass die Klägerin eine Nähe zu verfassungswidrigen Konzepten – insbesondere zum „Remigrationskonzept“ des Identitären Vordenkers Martin Sellner – aufweist, etwa durch deren unkritische Darstellung, terminologische Übernahme sowie persönliche Nähe führender Akteure zur rechtsextremen Szene. Diese Einschätzungen wertete das Gericht als ernste Anzeichen für eine verfassungsfeindliche Zielrichtung.
Allerdings fehlte es nach Gesamtwürdigung an einer ausreichenden Prägung der Vereinigung durch solche verfassungswidrigen Inhalte. Das Material, das das BMI zur Begründung vorlegte, zeigte zwar migrationskritische und rechtspolitisch zugespitzte Inhalte, diese ließen sich nach Ansicht des Gerichts aber teilweise noch als zulässige Kritik im Lichte der Meinungsfreiheit interpretieren. Ebenso fanden sich zahlreiche Beiträge mit anderem thematischen Fokus, etwa zu Coronapolitik oder dem Ukrainekrieg. Die Meinungsäußerungen seien insgesamt noch nicht von einem so aggressiv-kämpferischen Duktus geprägt, dass ein Vereinsverbot verhältnismäßig wäre.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist juristisch sauber und verfassungsrechtlich überzeugend – sie zeigt mit Nachdruck, wie hoch die Schwelle für ein Vereinsverbot in einem freiheitlichen Rechtsstaat liegen muss. Das Grundgesetz schützt auch missliebige, provokante und politisch extreme Meinungsäußerungen, solange diese nicht in strukturell verfasste, aggressiv-kämpferische Angriffe auf die verfassungsmäßige Ordnung münden.
Gleichzeitig wirft das Urteil grundlegende Fragen zur Wirksamkeit präventiver Schutzinstrumente gegenüber Medienakteuren auf, die – wie hier – rechtsextreme Narrative systematisch normalisieren, sich aber durch stilistische Vielfalt, thematische Breite und formale Distanzierungen in der Grauzone zwischen Meinungsfreiheit und Verfassungsfeindlichkeit bewegen. Dass sich selbst eine Organisation wie COMPACT, die das menschenverachtende "Remigrationskonzept" aktiv verbreitet, nach Ansicht des Gerichts nicht als „geprägt“ von verfassungswidrigen Bestrebungen darstellt, lässt sich als faktische Schutzlücke interpretieren.
Die Entscheidung verdeutlicht damit auch die strukturelle Schwierigkeit, mit den Mitteln des Vereinsrechts gegen hybride Medienakteure vorzugehen, die politische Einflussnahme mit agitatorischen Elementen und unternehmerischer Fassade verbinden. Ob sich das Vereinsrecht – mit seinem engen Maßstab des „sich Richtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ – als taugliches Mittel zur Abwehr solcher Bestrebungen bewährt, bleibt offen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber oder das Bundesverfassungsgericht künftig auf dieses Spannungsfeld zwischen Vereinigungsfreiheit und verfassungsfeindlicher Medienstrategie eingreifen muss.
Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts: https://www.bverwg.de/pm/2025/48
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