Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) hat mit Urteil vom 05.11.2024 (Az. 8 K 8046/23) entschieden, dass die Festsetzung eines Verspätungszuschlags in Höhe von 100 Euro gegen einen nicht von der Körperschaftsteuer befreiten eingetragenen Verein wegen wiederholter verspäteter Abgabe der Körperschaftsteuererklärung rechtmäßig ist. Das Gericht stellte klar, dass die in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO a.F. genannten Ermessenskriterien im Rahmen des Entschließungsermessens nach § 152 Abs. 1 AO n.F. nicht mehr heranzuziehen sind und dass auch Vereine, die lediglich Mitgliedsbeiträge vereinnahmen, zur Abgabe einer Körperschaftsteuererklärung verpflichtet bleiben.
Nach § 152 Abs. 1 AO kann gegen Steuerpflichtige, die ihre Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgerecht erfüllen, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Die Festsetzung liegt im Ermessen der Finanzbehörde, wobei gemäß § 5 AO eine pflichtgemäße Ermessensausübung erforderlich ist. Eine Vorabanforderung nach § 149 Abs. 4 AO stellt einen Verwaltungsakt dar, der – soweit nicht angefochten – bestandskräftig wird. Die in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO a.F. aufgeführten Kriterien wie Dauer der Fristüberschreitung, Höhe des Zahlungsanspruchs, gezogene Vorteile, Verschulden und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sind nach der Neufassung des Gesetzes durch § 152 Abs. 8 AO nur noch bei der Bemessung der Höhe des Verspätungszuschlags in den dort geregelten Ausnahmefällen zu berücksichtigen - nicht mehr bei der Frage, ob ein Verspätungszuschlag festzusetzen ist. Nach § 31 Abs. 1a KStG i.V.m. § 24 Satz 1 KStG sind nicht von der Körperschaftsteuer befreite eingetragene Vereine grundsätzlich verpflichtet, jährlich eine Körperschaftsteuererklärung elektronisch zu übermitteln, unabhängig davon, ob steuerpflichtige Einkünfte erzielt werden.
Der Kläger ist ein nicht als gemeinnützig anerkannter eingetragener Verein, der als deutschsprachiger Zweig einer internationalen Organisation die Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz vertritt. Er vereinnahmt jährlich Mitgliedsbeiträge in Höhe von etwa 2.500 bis 3.500 Euro und verfügt über ein Vereinsvermögen von rund 3.568 Euro. Das beklagte Finanzamt forderte die Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2020 mit Fristsetzung bis zum 8.4.2022 vorab an. Nachdem der Kläger dieser Aufforderung nicht nachkam, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Körperschaftsteuer auf null Euro fest. Gleichzeitig wurde ein Verspätungszuschlag von 100 Euro verhängt, berechnet auf Grundlage von vier Monaten Fristüberschreitung zu je 25 Euro.
Der Kläger legte Einspruch ein und machte geltend, ihm fehlten ausreichende steuerrechtliche Kenntnisse zur fristgerechten Erfüllung der Erklärungspflichten, die Rechtsnormen seien unverständlich, und es sei unverhältnismäßig, für bloße Mitgliedsbeiträge eine Erklärungspflicht anzunehmen. Zudem sah er den Verspätungszuschlag als verfassungswidrig an, da der Staat keine Frist zur Bearbeitung von Steuererklärungen einhalte, während Bürger zeitlich gebunden würden.
Das Finanzamt wies den Einspruch zurück und verwies auf frühere Pflichtverletzungen, insbesondere die Nichtabgabe der Körperschaftsteuererklärung 2019. Auch im Klageverfahren hielt der Kläger an seiner Argumentation fest, dass er mangels steuerpflichtiger Einkünfte nicht zur Abgabe verpflichtet sei und die Ermessensausübung des Beklagten nicht den Anforderungen der BFH-Rechtsprechung genüge.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es stellte fest, dass der Kläger zur Abgabe der Körperschaftsteuererklärung verpflichtet war, da er nicht nach § 5 KStG von der Körperschaftsteuer befreit ist. Diese Pflicht bestehe unabhängig davon, ob tatsächlich steuerpflichtige Einkünfte erzielt werden, und umfasse auch Fälle, in denen ausschließlich Mitgliedsbeiträge nach § 8 Abs. 5 KStG vereinnahmt werden. Die Vorabanforderung nach § 149 Abs. 4 AO sei bestandskräftig und daher im Klageverfahren nicht mehr überprüfbar.
Eine Entschuldigung der Verspätung im Sinne des § 152 Abs. 1 Satz 2 AO lehnte das Gericht ab, da der Kläger steuerlich vertreten war und fehlende Rechtskenntnisse kein unverschuldetes Versäumnis darstellen. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags sei ermessensgerecht erfolgt, insbesondere vor dem Hintergrund wiederholter Pflichtverletzungen in der Vergangenheit. Für die Ausübung des Entschließungsermessens seien die in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO a.F. genannten Kriterien nach der seit 2019 geltenden Neufassung nicht maßgeblich; sie fänden nur noch in den in § 152 Abs. 8 AO geregelten Ausnahmefällen Anwendung, etwa bei der Bemessung der Höhe.
Auch verfassungsrechtliche Bedenken wies das Gericht zurück. Die Verpflichtung zur fristgerechten Abgabe von Steuererklärungen sei mit dem Grundgesetz vereinbar; insbesondere verstoße es nicht gegen Verfassungsrecht, dass dem Staat keine Bearbeitungsfrist auferlegt werde. Der Verspätungszuschlag sei ein zulässiges Druckmittel, kein Zwangsmittel und keine Strafe.
Das Urteil verdeutlicht, dass auch gegen Vereine, die keine steuerpflichtigen Einkünfte erzielen und keine Steuern zahlen müssen, trotzdem Sanktionsmöglichkeiten bei verspäteter Abgabe einer Körperschaftsteuererklärung bestehen. Schließlich sind nicht steuerbefreite Vereine zur jährlichen Abgabe einer Körperschaftssteuererklärung verpflichtet. Für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags genügt bereits die wiederholte Verletzung der Erklärungspflicht, ohne dass die früher in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO a.F. genannten Kriterien im Entschließungsermessen zu prüfen wären. Vereine und andere Körperschaften sollten daher ihre Abgabefristen konsequent einhalten, um Sanktionen zu vermeiden, selbst wenn keine Steuerlast entsteht.
Falls Sie ähnliche Fragestellungen haben oder Unterstützung bei der Beurteilung steuerlicher Erklärungspflichten benötigen, wenden Sie sich gerne an die Expertinnen und Experten von SCHOMERUS.
Bildnachweis:IMAGO / Guido Schiefer / 755625078