Zum 1. April 2025 ist das am 4. Juli 2024 verabschiedete Gesetz zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland in Kraft getreten. Mit diesem wurden die Bundesländer u.a. zur Einrichtung von „Commercial Chambers“ an den Landgerichten und „Commercial Courts“ an den Oberlandesgerichten ermächtigt. Hierdurch sollen privatrechtliche Wirtschaftsstreitigkeiten in Deutschland schneller und effizienter durchgeführt werden können.
Bei den Commercial Chambers und Commercial Courts handelt es sich um spezialisierte Wirtschaftskammern. Die neuen Kammern sollen wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten effizienter, fachkundiger und bei Bedarf auf Englisch verhandeln. Ziel ist es, der wachsenden Komplexität und Internationalität wirtschaftlicher Auseinandersetzungen gerecht zu werden.
Commercial Courts sind nach § 119b Abs. 1 GVG grds. bei Streitwerten ab 500.000 € erstinstanzlich zuständig, wenn:
Unternehmer untereinander streiten,
es um Unternehmenskäufe oder -beteiligungen geht oder
Organstreitigkeiten innerhalb von Gesellschaften vorliegen.
Ausgeschlossen sind Verfahren zu gewerblichem Rechtsschutz, Urheberrecht, UWG sowie Anfechtung gesellschaftsrechtlicher Beschlüsse. Eine vorherige Verhandlung vor dem Landgericht entfällt. Revisionen zum BGH sind ohne Zulassung möglich.
Die Einrichtung der Commercial richtet sich hingegen nach § 184a Abs. 1 GVG. Im Gegensatz zu den Commercial Courts können bei den Commercial Chambers Rechtsstreitigkeiten im Rahmen der vorstehend beschriebenen Sachgebiete unabhängig vom Erreichen der für Commercial Courts vorgesehenen Streitwerte geltend gemacht werden. Mindeststreitwert ist hier die für die Landgerichte vorgesehene reguläre Grenze von 5.000 €.
Die Verhandlung vor den Commercial Courts setzt gem. § 119b Abs. 2 S. 1 GVG des Weiteren voraus, dass sich die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend über deren Zuständigkeit verständigt haben. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Parteien bedarf es daher nicht. Haben die Parteien nicht ausdrücklich etwas Anderes vereinbart, gilt die Zuständigkeit der Commercial Courts gem. § 119b Abs. 2 S. 2 GVG dabei als ausschließliche Zuständigkeit.
Verfahren können vollständig auf Englisch geführt werden, wenn die Parteien dies ausdrücklich oder stillschweigend vereinbaren. Dies spart Übersetzungskosten und ermöglicht eine einfachere Teilnahme ausländischer Parteien.
Das Verfahren orientiert sich teilweise am Schiedsrecht: z. B. früher Organisationstermin (§ 612 ZPO) und optionales Wortprotokoll der Verhandlung (§ 613 ZPO).
Für die Zuständigkeit der Commercial Courts genügt eine rügelose Einlassung sofern es an einer Vereinbarung über die Zuständigkeit fehlt (§ 119b Abs. 2 GVG).
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Einführung der Commercial Chambers und der Commercial Courts in der Praxis bewähren wird. Um die erforderliche Fachkompetenz der Spezialkammern zu gewährleisten, dürfte eine gezielte Auswahl und Fortbildung der Richterinnen und Richter unerlässlich sein. Darüber hinaus wird wohl auch eine ausgewogene Ressourcenverteilung innerhalb der Justiz von entscheidender Bedeutung sein, damit die neuen Spezialkammern arbeitsfähig sind, ohne andere Bereiche der Gerichtsbarkeit zu schwächen.
Ungeachtet der Herausforderungen dürfte die Einführung der neuen Kammern jedoch eine Modernisierung der Justiz und eine Stärkung Deutschlands als attraktiven Wirtschaftsstandort mit sich bringen.
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