Für Zahlungsklagen vor dem Amtsgericht wird künftig ein einfaches, nutzerfreundliches und durchgängig digital geführtes Gerichtsverfahren offenstehen. Das sieht ein heute vom Bundeskabinett beschlossener Gesetzentwurf vor, den das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegt hat. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens soll das neue Online-Verfahren zunächst an ausgewählten Amtsgerichten erprobt werden.
Der Gesetzesentwurf sieht insbesondere folgende Regelungen vor:
Anwendungsbereich:
Das neue Verfahren soll ausschließlich für zivilrechtliche Prozesse vor den Amtsgerichten gelten, die auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet sind.
Klageeinreichung mittels digitaler Eingabesysteme:
Die Rechtsuchenden werden bei der Erstellung einer Klage durch Informationsangebote und Abfragedialoge unterstützt. Klagen können über ein digitales Eingabesystem eingereicht werden. Bürgerinnen und Bürger nutzen dafür kostenfrei das „Mein Justizpostfach“. Für die Anwaltschaft erfolgt die Einbindung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA).
Öffnungsklauseln im Verfahrensrecht der ZPO zur verstärkten Nutzung digitaler Kommunikationstechnik:
Die allgemeinen Verfahrensregeln der ZPO sollen durch Erprobungsregelungen ergänzt werden. Vorgesehen sind u. a. Verfahren ohne mündliche Verhandlung, mehr Videoverhandlungen, vereinfachte Beweisaufnahmen und die rechtswirksame digitale Urteilszustellung.
Digitale Strukturierung:
Der Prozessstoff soll unter Nutzung von elektronischen Dokumenten, Datensätzen und Eingabesystemen digital strukturiert werden können. Insbesondere für sogenannte Massenverfahren (z.B. im Bereich der Fluggastrechte) sollen technische Standards und Dateiformate für die Datenübermittlung und eine ressourcenschonende Bearbeitung festgelegt werden. Hieraus ergeben sich Entlastungs-Potentiale für die Fallbearbeitung bei den Gerichten.
Kommunikationsplattform:
Vorgesehen ist eine bundeseinheitliche digitale Plattform für den Austausch zwischen Gericht und Beteiligten. Über diese können Anträge, Erklärungen und Dokumente eingereicht, bearbeitet und zugestellt werden. In einem ersten Schritt ist die Erprobung auf die Kommunikation zwischen Gericht und Anwaltschaft beschränkt.
Kosten:
Um die Attraktivität für niedrigschwellige Forderungen zu erhöhen, sollen die Gebühren im Online-Verfahren unter denen des regulären Zivilverfahrens liegen.
Das Gesetz wird durch ein Digitalisierungsprojekt des Bundesministeriums der Justiz begleitet: Dabei übernimmt der Bund in Projektpartnerschaft mit interessierten Ländern und Gerichten eine koordinierende Rolle bei der Entwicklung und Erprobung. Derzeit sind neun Länder und dreizehn Pilotgerichte an der Produktentwicklung beteiligt. Die Erprobung des Online-Verfahrens ist auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt. Evaluierungen sind vier und acht Jahre nach Inkrafttreten vorgesehen, um das Verfahren weiterzuentwickeln.
Bildnachweis:alexsl/Stock-Fotografie-ID:1139685865