Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat mit Beschluss vom 15. Mai 2025 (Az. 13 U 131/24) die Berufung eines Vereinsmitglieds gegen ein Urteil des Landgerichts Wuppertal zurückgewiesen und damit den Ausschluss eines langjährigen Mitglieds aus einem Rassehundezuchtverein rechtskräftig bestätigt. Maßgeblich war nicht nur die inhaltliche Bewertung des Verhaltens, sondern vor allem die prozessuale Frage, inwieweit sich ein Vereinsmitglied auf Schweigen zurückziehen darf, ohne den Tatsachenvortrag des Vereins substantiiert zu bestreiten.
Die gerichtliche Kontrolle vereinsinterner Disziplinarmaßnahmen ist grundsätzlich nur eingeschränkt. Sie beschränkt sich darauf, ob das Verfahren satzungsgemäß und rechtmäßig war, ob zwingendes Recht verletzt wurde oder ob die Maßnahme grob unbillig erscheint. Eine umfassende Tatsachen- und Ermessenskontrolle erfolgt nicht. Kommt es jedoch zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, so gelten die allgemeinen zivilprozessualen Regeln, insbesondere die Darlegungspflichten nach § 138 ZPO sowie die freie Beweiswürdigung nach § 286 ZPO.
Der Kläger war seit 1991 Mitglied des beklagten Rassehundezuchtvereins, dessen Satzung ausdrücklich die Förderung tierschutzgerechter Praktiken vorsieht. Beruflich betreibt er ein Hundeausbildungszentrum und ist als Leistungsrichter tätig. Im Jahr 2019 wurde in einem finnischen Fernsehsender ein von einer Tierschutzorganisation erstelltes Video ausgestrahlt, das ein Ausbildungsseminar zeigte, bei dem Hunde durch Leinenrucke, Schläge und Griffe massiv belastet wurden. Mehrere Vereinsmitglieder identifizierten den Kläger trotz verpixeltem Gesicht anhand seiner Statur, seiner Bewegungen und seiner Kleidung als eine der handelnden Personen. Ein vom Verein eingeholtes tierärztliches Gutachten bewertete das Verhalten als erheblichen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Der Vereinsvorstand beschloss daraufhin am 12. Dezember 2021 den Ausschluss des Klägers, der am 15. Mai 2022 durch den Ehrenrat bestätigt wurde. Der Kläger erfuhr hiervon zunächst über die Vereinszeitschrift.
In seiner Klage vor dem Landgericht Wuppertal machte er geltend, dass der Ehrenratsbeschluss nicht fristgerecht zugestellt worden sei, dass ihm keine vollständige Akteneinsicht gewährt worden sei und dass das Video als Beweismittel unzulässig und damit einem Verwertungsverbot unterliege. Zudem bestritt er, die im Video gezeigte Person zu sein. Das Landgericht wies die Klage am 14. Oktober 2024 ab und stellte klar, dass zwar der Verein die Beweislast für die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses trägt, ein Mitglied sich jedoch nicht auf bloßes Schweigen oder ein Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen kann. Vielmehr muss es sich substantiiert mit den Vorwürfen auseinandersetzen, wenn es diese entkräften will. Da der Kläger dies unterlassen hatte, hielt das Landgericht den Ausschluss für wirksam.
Das OLG Düsseldorf schloss sich dieser Bewertung an und wies die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Es stellte heraus, dass das vereinsrechtliche Schweigerecht ein Mitglied nicht von den Darlegungs- und Bestreitungspflichten im gerichtlichen Verfahren befreit. Der Verein hatte substantiiert dargelegt, dass der Kläger im Video tierschutzwidrig agierte. Der Kläger hatte dem nichts Substanziiertes entgegengesetzt. Unter diesen Umständen durfte das Gericht die Identifizierung durch mehrere Vereinsmitglieder als tragfähig ansehen, ohne weitere Beweiserhebungen vorzunehmen. Nach § 286 ZPO war es zulässig, die Entscheidung auf die Videoaufnahmen und Zeugenaussagen zu stützen. Auch in materieller Hinsicht bestätigte das OLG die Bewertung, dass die dokumentierten Handlungen schwerwiegende Verstöße gegen tierschutzrechtliche Belange darstellen und angesichts des Vereinszwecks keine milderen Maßnahmen als der Ausschluss in Betracht kamen.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Vereine interne Disziplinarmaßnahmen wirksam durchsetzen können, solange das Verfahren ordnungsgemäß abläuft und die Tatsachengrundlage nachvollziehbar ist. Zugleich macht sie deutlich, dass Mitglieder sich nicht allein auf formale Einwände oder Schweigen zurückziehen können. Wer schwerwiegende Vorwürfe entkräften will, muss substantiiert Stellung nehmen. Für Vereine empfiehlt sich daher eine klare satzungsmäßige Grundlage, eine sorgfältige Dokumentation und die Nutzung verfügbarer Beweismittel. Für Mitglieder zeigt der Fall, dass Verstöße gegen zentrale Vereinszwecke auch nach langjähriger Zugehörigkeit den Ausschluss rechtfertigen können und dass ein im Vereinsverfahren zulässiges Schweigen im Zivilprozess nachteilige Folgen haben kann.
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